Fünf Texte

von Bastian Kienitz

Sichtverschiebung. Stadtansicht

die Rahmenhandlung deiner
Sichtverschiebung ist ein
Drama in drei Akten:


als man den Gang
hinunterging herrschte
Totenstille in den Alkoven
flatterten die Bettlaken
wie totgeglaubte
Schmetterlingsflügel in denen
sich der Schlafende selbst
in einem Kokon der Leiden
wälzte

die Stadt ist ausgekocht
und schiebt sich blaukehlig
in den Mittelpunkt eines
Rasters der die optische Valenz
in den Bandlücken bis
zum äußersten treibt

in jedem Stockwerk
herrscht bereits absoluter
Nullpunkt…


Schreib/federnd

Kyome Winter

Wanderfalter
in blau

abschüssig
wenn
ich deiner
Wärme fliehe

in manchen
Momenten fallen
die Worte wie Schnee


Gerinn

in einem Satz
trifft Licht
auf Schwarz

blickdicht
und umgekehrt

scharf an der
Grenze

schreibst du
die Zeilen
der Leere nach

und raubst mir
den Atem | Gerinn


Der Mensch erobert den Himmel

nach der Bruchlandung suchst du das Gerüst das Pappmaché aufs
Neue berechnest den Luftwiderstand die Windrichtung die Haltung
des Körpers in der Kurve suchst dir einen Hügel für den Absprung
Anlauf der Sauerstoff verbrennt in den Atemwegen der Luftzug reibt
an den Flügeln WIR LANDEN NACHTS AUF DEM MOND


Industriebauern

Kopflos auf dem Land sitzen wir
nicht allein am quadratischen Tisch
beten sie ein drei Mal Vater unser
draußen wird das goldgelbe Stroh
eingefahren und es riecht himmlisch
nach getrockneter Luft in der Sonne
Patent: kurz Strohzuführung die
Grannen flimmern verdächtig nach
elektrostatischem Potenzial viel zu
früh für das zuckende Fleisch diesen
Sommer klingen die Teiche wie
leergeleckt der Froschschenkel klebt
wie das Salz in der Suppe zum
Hautausfahren schön

Das Gedicht wurde von dem gleichnamigen Bild Industriebauern von Georg Scholz inspiriert.

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